Eine übernatürliche Suche #2 – Kämpfen, von Thorben

Seit einem Jahr trainiere ich nun Bujinkan Budo Taijutsu. Fast ein Jahr ist nun das Seminar mit Rob Renner in Berlin her, dass mich dazu inspiriert hat tief in das Bujinkan abzutauchen. Ursprünglich nur auf der Suche wie ich besser kämpfen kann, habe ich jetzt gemerkt, dass es im Bujinkan um weit mehr geht. Bujinkan Budo Taijutsu kann eine Kampfkunst sein. Man kann es als Philosophie betrachten. Für mich ist es fast schon zu einer Lebenseinstellung geworden. Das klingt auf den ersten Blick wie ein geklauter Spruch aus einem Hollywood-Film. Doch was steht dahinter?

Dojo-Training ist nicht nur kämpfen

Immer öfters „ertappe“ ich mich dabei, verschiedene Dinge im Leben mit den Methoden des Bujinkan zu probieren. Meditation, um einen klaren Kopf vor einer Klausur zu bekommen. Haltung (Kamae), wenn ich am Bahnhof stehe und meine Mitmenschen beobachte. Bewusstes Wahrnehmen des Augenblicks. Wenn ich esse, dann esse ich und spiele nicht am Handy, um ein Beispiel zu nennen. Sicherlich, dass funktioniert nicht immer, da es schwer ist alte Gewohnheiten abzulegen. Aber immer öfter. Auch das Training hat mittlerweile für mich eine ganz andere Bedeutung gewonnen.

Natürlich geht es in erster Linie ums kämpfen, aber auch um das Erlernen einer Kampfkunst,. Die Techniken, das Gefühl für den Gegner und die Schliche, wie man diesen austricksen kann. Doch dahinter steht immer ein einziger Grundgedanke, den Sōke auch in seinen Büchern aufgreift: Es wird eine fließende Technik unterrichtet. Was mit dem Schwert geht, geht auch mit einem langen Stock. Was mit der Hand geht, geht auch mit einem Messer (abstrakt gesehen). Doch die Idee hinter diesen Techniken kann man auch auf andere Bereiche des Lebens übertragen.

Das wohl im Moment markanteste Beispiel ist vermutlich die Corona-Krise. Es gibt viele Veränderungen und Einschränkungen und vermutlich noch mehr gespaltenen Meinungen darüber, wie wir damit umgehen sollen. Welche Auswirkungen hat die Corona-Zeit nun auf uns?
Wir…

  • …trainieren draußen im Park. 
  • …trainieren mit dem vorgeschriebenen „Mund-Nasen-Schutz“. 
  • …halten den „Corona-Mindestabstand“ ein. 
  • …trainieren Fitness, etwas Fallschule (Ukemi) und „Stockkampf“ (Bōjutsu).
Respekt ist ein wichtiger Teil des Trainings. Kämpfen als Weg zu innerem Frieden.
Respekt ist ein wichtiger Teil des Trainings

Ist jetzt alles anders?

Im Vergleich zu vorher, ja. Und das ist der entscheidende Punkt. Denn wenn wir mal ein Blick in unser Dojo-Handbuch werfen, dann geht es dort nicht nur ums kämpfen, so finden wir auf Seite fünf die 18 Fächer des Ninjutsu (Ninja Jūhakkei). Das allein sagt schon eine Menge über das aus, was wir im Bujinkan machen:

1. Es gibt extrem viele Facetten, wie das Training gestaltet werden kann. Bōjutsu ist eines dieser 18 Fächer.

2. Es sind die 18 Fächer des Ninjutsu. Ninjutsu. Ich habe das Dojo über die „hannover ninjutsu“ oder ähnlichen Suchanfragen gefunden. Und auch im Training machen wir Witzeleien darüber, dass wir Ninjas sind/werden. Ninjas sind stilisierter Weise mit einer Gesichtsmaske herumgelaufen, um nicht erkannt zu werden (andere strategische Gründe einmal außen vorgelassen).

3. Wir trainieren Ninjutsu. Das ist, grob übersetzt, die „Kunst des Erduldens“.

Gelassenheit im Angesicht des ewigen Wandels

Was will ich damit sagen: Es hat sich etwas verändert, allerdings nur im Vergleich zu vorher. Betrachten wir das Gesamtbild ist alles gleichgeblieben:

– Wir trainieren immer noch Bujinkan, nur einen anderen Bereich, der einigen von uns vielleicht noch fremd ist. Das bedeutet aber nicht, dass es deshalb schlecht ist, oder nicht dazu gehört.

– Wir trainieren wie Ninjas mit Maske (wobei wir nur eine kleine Maske in Bund mit Muster vor unser Gesicht machen, nicht einmal um den ganzen Kopf)

– Wir trainieren mit Abstand. Wenn Steffen Training gibt, betont er immer wieder das Bujinkan die Kunst der Distanz ist. Das hat nichts mit Abstand voneinander zu tun. Ich denke wir sollten grade das nutzen, um für diesen Bereich ein besseres Gefühl zu entwickeln. – Und zu guter Letzt der Punkt mit dem Training im Park. Draußen zu trainieren, grade auch Fallschule, wird sowieso Bestandteil des Trainings werden. Ich hatte das Pech, in einen Straßenkampf verwickelt zu werden. Was ist mir als erstes aufgefallen, nachdem ich den Adrenalinschub überwunden hatte? Mein Schulterblatt hat mördermäßig weh getan. Warum? Weil ich mich abrollen musste und dort auf dem Boden keine fluffigen Dojo-Matten lagen, sondern ein spitzer, großer Kieselstein. Draußen an der Sonne bei Frischer Luft zu trainieren macht mir außerdem auch sehr viel Spaß 😉

Mein Fazit – vom Kämpfen zur Achtsamkeit

Ich habe während dieser ganzen Zeit gemerkt, dass das Training im Kern immer noch dasselbe Training ist wie vorher. Mit dem Unterschied, dass mir vorher nicht ganz klar war, was das Training eigentlich alles ist.

Genauso erging es mir mit dem restlichen Leben, wenn man so will. Seit ich versuche, die Perspektive ab und zu zu wechseln, ist mir aufgefallen, was das Leben alles ausmacht und zu bieten hat. Fledermäuse sind nur ein Beispiel. Wir haben bei uns am Haus eine ganze Fledermaus-Familie wohnen und es ist extrem spannend in der Dämmerung draußen zu sitzen und diese putzigen kleine Tierchen zu beobachten (den Mengen an Dreck beurteilend, scheinen die aber schon länger bei uns zu wohnen, aber wenigsten Weiß ich jetzt, wo es her kommt). Aber auch wie schnell das Leben an einem vorbeizieht, man aber dennoch die Möglichkeit hat viele wunderschöne Dinge zu tun und auch ein einziger Moment sich anfühlen kann wie ein ganzer Tag.

Sicherlich befinden wir uns momentan in einer schweren Zeit, aber wenn wir zusammenhalten, werden wir auch die Corona-Krise hinter uns lassen können. In der Zwischenzeit können wir viele neue Aspekte des Bujinkan betrachten und erkunden. Damit geht das Training aber auch das Leben quasi „normal“ weiter, nur das „normal“ für die Meisten von uns noch neu ist.

Die ultimative Technik im Bujinkan?

Dieser Text ist als Teil 2 betitelt. Vielleicht erinnert sich der ein oder andere an den vorangegangenen Teil dieser Geschichte. Hat mir die hier gefundene Erkenntnis nun etwas gebracht, auf meiner Suche nach der „ultimativen“ Technik? Nein, ehrlich gesagt bin ich immer noch ratlos, was das angeht. Aber ich habe gemerkt, dass es im Bujinkan vielleicht gar nicht um die ultimative Technik geht, sondern um etwas ganz anders. Dennoch werde ich weitersuchen. Vielleicht finde ich ja eines Tages den Trick der Tricks, um mich wieder in das Gefühl hinein zu versetzen, welches ich das erste Mal vor einem knappen Jahr erfahren habe…

Ninpo Ikkan
Thorben

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