Eine übernatürliche Suche # 4 – Technik, von Thorben
Das vergangene Jahr stand ganz im Zeichen der Corona-Pandemie. Viele neue Virusvarianten haben uns das Leben schwer gemacht und für teils signifikante Einschränkungen im Training gesorgt. Mal konnte man trainieren, mal nicht, mal nur draußen, mal nur mit Test und Impfung… so ging das das ganze Jahr über. Für mich und meine Suche nach der „ultimativen Technik“ recht hinderlich. Oder doch nicht? Ich habe für mich einen kleinen Rückblick gemacht und mich dabei gefragt, was ich im vergangenen Jahr gelernt habe: Das Training lief sehr durchwachsen ab, viele (thematisch) verschiedene Inhalte
wurden behandelt. Klar, einen roten Faden gibt es immer irgendwo, aber ich muss gestehen, mir war dieser im letzten Trainingsjahr nicht wirklich präsent. Also habe ich das Training irgendwann nur noch als solches hingenommen, um zu lernen und die Chance zu nutzen, mich bei den verschiedenen Techniken selbst zu analysieren. Durch das häufige Wechseln von waffen- und waffenlosen Techniken ist mir vor allem die Wechselwirkung zwischen Offensive und Defensive ins Auge gerückt.
Budō – Der Weg, den Kampf zu beenden
Ich persönlich mag Kämpfen nicht so gerne. Treffer, Verletzungen und Verlieren mag ich noch weniger, weshalb ich stets auf meinen eigenen Schutz bedacht bin. Wie mir nun auffiel, etwas zu sehr bedacht. Häufig bin ich in der Defensive überrannt worden und musste mit sehr riskanten Aktionen versuchen, das Randori zu meinen Gunsten zu drehen. Das hätte oft nicht notgetan und hat auch noch seltener gegen erfahrene Gegner funktioniert (z.B.: unsere Dojo-eigenen Dan-Träger, liebe Grüße an dieser Stelle ).
Irgendwann fing ich an, mich etwas offensiver ins Scharmützel zu stürzen und siehe da, ab und zu lief das Kämpfen reibungsloser, als wenn man sich nur verteidigt. Sich zu überwinden, Uke mit bewussten Schwachstellenöffnungen zu locken und dann noch den passenden Eingang zu finden, um den finalen
Angriff zu setzen, ist im Randori aber wesentlich schwieriger als in den Katas. Ich denke, das lag vor allem an der Überwindung. Hat man aber erstmal den Bogen raus, läuft es ganz gut. Eine, wie ich finde, wichtige Lektion, die ich auch in Zukunft im Randori unbedingt weiter üben muss und austesten will.
Auch das Thema Bodenkampf wurde fast in jeder Stunde wieder ausgepackt. Etwas, das ich schon aus dem Judo kannte und dort nicht wirklich mochte. Florian-Senseis Begründung: Sehr viele Kämpfe landen auf dem Boden, also müsst ihr auf dem Boden kämpfen können. Klingt sinnvoll und simpel. Dennoch ist mir erst in der zweiten Hälfte des Jahres aufgefallen, wie schnell viele meiner Randoris wirklich auf dem Boden gelandet sind. Auch hier galt wieder: Immer wieder die paar präsentierten Techniken üben, um einen Kampf wenden zu können. Es gibt keine Garantie, dass ein Duell mit dem Schwert auch als solches endet.
Technik ist nicht alles im Kampf
Aber auch die Zeiten, in denen kein Training stattfand, habe ich für Ninjutsu genutzt. Im Speziellen zum Lesen von Sokes Büchern. Wie mittlerweile jedes Jahr habe ich erneut das Buch: „Essence of Ninjutsu“ gelesen. Hierbei sind mir vor allem die vielen verschiedenen Geschichten aufgefallen, die erwähnt wurden. Insbesondere in ihrer Gesamtheit, dass immer wieder neue Aspekte eines bereits bestehenden Bildes anhand eines neuen Bildes erklärt wurden (ich spreche hier von Sinnbildern im Bezug auf verschiedene Techniken und Verhaltensweisen). Dies ist etwas, was sich wie vorangegangen beschrieben, im Kampftraining wiedergefunden hat: Die „eine“ Technik besteht eigentlich aus vielen verschiedenen Techniken. Grade im Ninjutsu, was so viel mehr umfasst als nur das reine Kämpfen, ist dies denke ich eine wichtige Erkenntnis, die immer bedacht werden sollte. Das eine funktioniert nicht ohne das andere, Angriff nur mit Verteidigung, Verteidigung nur mit Angriff.
Das soll an dieser Stelle keine Ermutigung sein, beim nächsten Konflikt (der bitte im Idealfall sowieso vermieden werden sollte!) den erstbesten Provokateur zu verhauen, nur damit man sich besser verteidigen kann. Defensive und Offensive sind an sich klar trennbar, jedoch innerhalb des Konzeptes Defensive sind offensive Elemente durchaus erlaubt und gehören zu einer gelungenen Verteidigung meiner Meinung nach dazu. In der Symbiose entsteht anschließend die Technik. Dies erinnert stark an das Yin-und-Yang-Zeichen. Der Kreis wird nur durch hell und dunkel vervollständigt, im Hellen gibt es Dunkles, um Dunklen gibt es Helles. Nur so wird eine „runde Sache“ daraus.
Auch habe ich mich am Buch „The Essence of Budo“ versucht. Jedoch ist dies ein sehr philosophisch gehaltenes Werk und für mich als Laien und Anfänger doch sehr schwere Kost. Aber auch hieran sieht man wieder, dass Kämpfen allein nicht alles ist, es gehört auch das richtige „Mindset“ dazu. Und das
wiederum ist sehr komplex.
Seminare
Der letzte Punkt in diesem Jahresrückblick ist ein Seminar: Stattgefunden hat es in Hannover, ausgerichtet vom EIRYU Dojo unter Führung von Dai Shihan Hayong Yun. Das Thema war Tanjujutsu – Handschusswaffen. Ein wundervolles Event in Zeiten von Corona (und alles unter peinlich genauer Einhaltung der geltenden Coronaregelungen). Wir hatten die Möglichkeit, neue Gesichter und Herangehensweisen kennenzulernen. Aber auch alte Fähigkeiten wurden hier neu verbaut. Es lohnt sich also, auch die alten Sachen aus dem eigenen Repertoire immer wieder zu üben und damit herumzuexperimentieren. Man weiß nie, wie und wann man es nicht vielleicht doch mal brauchen kann.
Was steht also nun am Ende des Jahres 2021? Gerade im Bezug auf meine Suche nach der „ultimativen Technik“ habe ich festgestellt, dass es nicht die eine Technik ist, die ich suche, denn die gibt es nicht. Ich vermute auch, dass die Techniken an sich nicht reichen werden. Es gibt sehr Vieles darum herum, was zu beachten ist und was Jahre oder Jahrzehnte der Übung braucht, bis alles miteinander gut harmonisiert. Auch wenn dieses Jahr die Suche nicht erfolgreich war, so denke ich, habe ich wichtige Hinweise gefunden, wie und wo ich nun in diesem Jahr suchen muss.
Ninpo Ikkan
Thorben