Karate – Eine übernatürliche Suche – Teil 6
Das Thema Kampfkunst begleitet mich schon fast mein ganzes Leben. Angefangen hatte es damit, das mich meine Klassenkameraden aus der 1. Klasse mit zur „Selbstverteidigung“ genommen hatten. Ein kleiner Kampfsportkurs bei uns im örtlichen Sportverein. Trainiert wurden nur ganz grundlegende Inhalte, Sparring war für uns Kinder quasi nicht existent aber wir kamen raus, konnten Sport machen und es war förderlich für die eigene Selbstbehauptung. Während der Mittelstufe im Gymnasium kam dann Judo
dazu. Ursprünglich nur, damit ich für „Jugend trainiert für Olympia“ einen Tag frei bekam, aber es hat dann so viel Spaß gemacht, dass wir das Ganze sehr intensiv angegangen sind und sogar mal den zweiten Platz für unsere Schule erreichen konnten. Nach der Schule mit dem Beginn meines Studiums kam ich dann nach Hannover zu Florian-Sensei hier zum Bujinkan.
Wie bereits in den vorherigen Blog-Einträgen nachzulesen bietet mir das Bujinkan eine ganze Menge interessanter Inhalte, die auch über das wöchentliche Training im Dojo hinausgehen. Allerdings ist das „normale“ Training immer noch ein starker Bestandteil und deshalb sehr präsent. Im Fokus stehen hier vor allem das erlernen von neuen Techniken und das festigen von bekannten Inhalten. Ebenfalls ermutigt Florian uns auch zu sehr viel Randori und Sparring, damit wir in einem sicheren Umfeld die erlernten Dinge in Anwendung ausprobieren können. Trotz des intensiven Trainings und meiner Vorerfahrung hatte ich dennoch grade zu Beginn das Gefühl, das mit noch was Grundlegendes fehlt: Intensives Training für die grundlegendsten Dinge wie Schläge, Tritte oder Bewegung im Kampf. Glücklicherweise gibt es im Bereich des japanischen Kampfsports dafür ein recht einfaches und populäres Lösungsangebot: Karate.
Shotokan Karate
Zuhause bei unserem Sportverein habe ich vor 3 Jahren angefangen, Shotokan Karate zu trainieren. Shotokan Karate ist die in der heutigen Zeit am weitesten verbreitete Stilrichtung des Karate. Sie zeichnet sich besonders durch tiefe Stände und Kraftvolle Bewegungen aus. Auch wenn Karate ursprünglich nicht aus Japan, sondern aus dem 1879 durch Japan annektiertem Königreich Ryukyu
stammt, sind im Shotokan eine Menge grundlegender japanischer Philosophiekonzepte enthalten und erkennbar. Sehr ähnlich zum Ninjutsu.
Auch der generelle Ablauf des Trainings im Dojo folgt der Struktur unseres Trainings im Bujinkan: Angrüßen, Aufwärmen, Grundlagentraining (Kihon), Formtraining (Kata), Freikampf (Kumite im Karate, Randori im Bujinkan), Dehnen und zum Ende wieder Abgrüßen. Natürlich ist der Fokus im Karate
deutlich verlagert, im Vergleich zum Bujinkan: Es werden quasi nur Schlag- und Tritttechniken gelehrt, sowie Körperbewegung, Stände und Dynamik im Kumite. Im etwas fortgeschritteneren Training werden zwar eine kleine Auswahl an Würfen und Hebel unterrichtet, verglichen mit unserem Training ist
das jedoch nur ein klitzekleiner Anteil. Dafür ist der Drill-Faktor wesentlich höher als bei uns: Es gibt verhältnismäßig viel Einzeltraining und Wiederholungen von grundlegenden Techniken, wobei der Lehrer sehr stark auf die korrekte Ausführung der Techniken achtet.
Karate ist ein Kampfsport
Ziel ist die Perfektionierung der Bewegungen. Diese Trainingsmethode hat zwei weitere große Vorteile, zumindest aus meiner Sicht: nach 20 bis 30 Wiederholungen wird es sehr anstrengend, was durchaus den Körper trainiert. Außerdem wird durch das Drillen der Techniken das Muskelgedächtnis und die Intuition zu diesen Techniken geschult. Das wiederum vereinfacht die Anwendung im dynamischen Kampf. Der prägnanteste Unterschied zeigt sich jedoch im Freikampf: Karate ist ein Kampfsport. Das heisst, es wird mit festgelegten Regeln trainiert. Gewissen Techniken (z.b. Empi – Ellenbogenstöße) oder Angriffsvektoren (von hinten in den Rücken von Uke) sind nicht erlaubt. Bei uns im Training bei Florian hingeben schon, teils sogar erwünscht. Natürlich immer in einem angemessenen Rahmen und ohne Uke zu verletzen, aber immer mit dem Hintergedanken, das der echte Kampf keine Regeln hat und wir uns den bestmöglichen Vorteil erkämpfen müssen.
Ein erstes Fazit

Nach nun 3 Jahren Training traue ich mich, ein erstes Fazit zu ziehen: Karate ist eine sehr interessante Kampfkunst, die viele Ähnlichkeiten zum Bujinkan aufweist, aber auch eine Menge Dinge anders angeht. Durch den Fokus auf Tritte und Schläge sind diese bei Karateka besonders stark verankert und entsprechend auch gut trainiert. Hart, Schnell Präzise! Durch den starken Wettkampfeinfluss ist aber im direkten Vergleich ein Unterschied in der allgemeinen Bewegung spürbar. Auch die, ich nenne es mal liebevoll „leichte Panik“, wenn es zu Würfen, oder Klinsch-Situationen kommt, ist im Kumite sofort bemerkbar. Dafür ist es schwieriger und mit mehr Risikoverbunden, wie bei uns gewohnt einfach in den Klinsch mit einem Karateka zu gehen, da hier natürlich die Abwehr solcher Szenarien viel geübt wird. Es gibt jedoch noch einen weiteren, eher unterschwelligeren Aspekt, der mir aufgefallen ist:
Für das Grundlagentraining (ich beziehe mich hier auf das Training der Kyu-Grade) liegt der Fokus beim Karate stark auf dem „Wie geht die Technik?“ Anschließend für die höherrangigen Kyu-Graden entwickelt sich der Fokus hin zu: „Wie perfektioniere ich die Technik?“ Im Bujinkan geht es zwar am Anfang auch um das erlernen der Technik (also „Wie geht die Technik?“), danach verlagert sich der Fokus aber sehr schnell hin zum: „Was mache ich jetzt nun konkret mit der Technik?“ Auch die Wechselwirkung mit einem (sich wehrenden) Gegner wird intensiv betrachtet und studiert. Das fällt meiner Erfahrung nach beim Karate etwas hinten rüber (wie gesagt, ich bin erst 3 Jahre dabei, vielleicht kommt das ja noch). Was mir zusätzlich aufgefallen ist: Das unterschwellige nutzen meiner Ninjutsu-Dinge verwirrt die meisten Karateka komplett und funktioniert hervorragend.
Zurück zu den Grundlagen
Trainiert man also immer nur in seinem eigenen Trott, kann es möglicherweise zu Verfälschungen oder Verzerrungen der Trainingsergebnisse kommen. Ein Punkt, den ich auf jeden Fall weiter studieren und ausprobieren werde. Doch nun zurück zum Anfang: Ich wollte etwas stärkere Grundlagendrills und die gibt es beim Karate eindeutig. Tritte, Schläge und Kamae sind bei mir schneller, härter, präziser und mobiler geworden. Auch sportlich bringt mir Karate als Informatiker eine ganze Menge. Für mein ursprüngliches Ziel, die „ultimativen Techniken“ zu finden konnte ich auch etwas wichtiges lernen: Grundlagen sind unglaublich wichtig und müssen sehr, sehr lange und vor allem immer wieder geübt werden. Denn ohne ein vernünftiges Fundament kann man kein stabiles Haus bauen.
Das allerwichtigste, was ich bei meinem Karate-Training jedoch kennenlernen durfte, waren die vielen neuen Gesichter beim Training. Viele gute Bekanntschaften mit netten und weltoffenen Menschen, die ihre ganz eigene Prägung durch japanisches Budo in das Leben einbringen. Aufrichtigkeit, Fleiß und Ehre, in allem was man tut. Etwas, das nicht nur das Training sondern unser gesamtes Umfeld bereichert.
Ninpo Ikkan
